Mit regionalen Netzwerken der „Frühen Hilfen“ will die Caritas verstärkt auf junge Familien zugehen. Damit sollen Belastungen aufgefangen werden, die mit der Geburt und dem Aufwachsen von Kindern verbunden sein können. Beim zweiten Familienkongress der Caritas in Rheinland-Pfalz wurden neue Handlungsansätze besprochen, wie „Familien am Start“ besser unterstützt werden können. An dem Kongress im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen nahmen mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas aus Rheinland-Pfalz teil.
Für einen „schrittweisen Wandel der klassischen Rollenvorstellungen von Mann und Frau“ sprach sich der Mainzer Kardinal Karl Lehmann aus. Die Kirche trete für eine gemeinsam verantwortete Elternschaft ein, die es beiden Partnern ermögliche, die beruflichen und familiären Interessen auszubalancieren. Das Kindeswohl stufte Lehmann höher ein als die Erfordernisse der Arbeitswelt. „Nicht die Familie muss sich an die Arbeitswelt anpassen, sondern die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden“, forderte der Kardinal in einem Grußwort, das bei dem Familienkongress am 25. Mai verlesen wurde. Lehmann hatte seine Teilnahme kurzfristig absagen müssen.
Christoph Habermann, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Sozialministerium, wies auf die steigende Zahl von Familien in sozial schwierigen Verhältnissen hin. „Wenn in einem reichen Land wie Deutschland Kinder in Armut aufwachsen müssen, ist das eine Schande und eine schwere Belastung für die gesamte Gesellschaft“, sagte er im Blick auf die Ergebnisse des ersten Kinder- und Jugendberichts für Rheinland-Pfalz. Menschen in prekären Lebenslagen bräuchten ein auskömmliches Einkommen und Bildung im umfassenden Sinne, um der Armutsspirale zu entkommen.
Familie wird „in den Zeitlücken der Arbeitswelt“ gelebt
Eva Maria
Schuster
Vor der Familiengründung wünschen sich viele Paare eine egalitäre Aufgabenteilung. Nach der Geburt des ersten Kindes entscheiden sie sich jedoch häufig für traditionelle Rollenmodelle. Darauf machte Professorin Eva Maria Schuster von der Katholischen Fachhochschule Mainz aufmerksam. Häufig gehe mit der Familiengründung eine Verschlechterung der Beziehungsqualität einher. Für Eva Maria Schuster ein Hinweis darauf, dass traditionelle Rollenmodelle sowie die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Entwicklung glücklicher Familienbeziehungen belasten. Kritik übte sie an Arbeitszeiten, die ein gemeinsames Familienleben behindern. Familie werde in zunehmendem Maß „in den Zeitlücken der Arbeitswelt“ gelebt. Sie warb dafür, die Hilfeangebote der Caritas für Familien stärker zu bündeln und mit haushaltsnahen Dienstleistungen zu kombinieren.
Georg
Kaesehagen-Schwehn
Fachliche Impulse zur Entwicklung der „Frühen Hilfen“ in der Caritas gab Georg Kaesehagen-Schwehn vom Deutschen Caritasverband. Ziel sei eine präventiv ausgerichtete Unterstützung junger Mütter und Väter ab Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des dritten Lebensjahres des Kindes. Dabei komme es darauf an, Belastungen frühzeitig zu erkennen und die Eltern zu motivieren, entsprechende Hilfeangebote zu nutzen. Auch er forderte eine stärkere Vernetzung und verbindlichere Koordination vorhandener Einzelangebote. Eine weitere Anregung: Erfahrene Mütter und Väter begleiten junge Familien als ehrenamtliche „Familienpaten“. Die staatliche Kontrolle der Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchen bewertete Kaesehagen-Schwehn als ungeeignetes Instrument zur Entdeckung von Gefährdungen des Kindeswohls.
In Workshops gaben zehn Modellprojekte einen Einblick in ihre Arbeit, darunter das Programm „Guter Start ins Kinderleben“ der Stadt Ludwigshafen und des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhauses in Ludwighafen. Dabei wurden die Arbeit der Geburtsklinik, die Unterstützung der Hebammen und mehrere Beratungsangebote miteinander verzahnt.
Abschied vom Spezialistentum
Beim Podiumsgespräch erörterten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, wie die Caritas auf junge Familien stärker zugehen kann. Professorin Eva Maria Schuster regte an, dass sich Berater und Einrichtungen vom „Spezialistentum“ verabschieden. Angesichts vielschichtiger Probleme der Familien seien verstärkt Generalisten gefragt. Unterschiedliche Milieus, in denen Familien leben, erforderten zudem unterschiedliche Konzepte.
Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände in Rheinland-Pfalz, plädierte für eine stärkere Berücksichtigung familiärer Interessen in der Arbeitswelt. Gefragt seien unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, aber auch Arbeitslöhne, die es Familien ermöglichen, in Teilzeit zu arbeiten.
Das Pfälzer Kabarettduo „Spitz und Stumpf“ setzte den kulturellen Schlusspunkt unter eine begegnungs- und diskussionsreiche Veranstaltung.
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