Die Teilnehmer des Fachtags kamen aus den Diözesan-Caritasverbänden Trier, Speyer, Mainz, Limburg und Köln. Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Wie festigen wir ihn in einer Zeit, in der er verloren zu gehen scheint? Dieser Frage ging die Arbeitsgemeinschaft der drei rheinland-pfälzischen Caritasverbände bei einem Fachtag nach. Rund 120 Mitarbeiter waren am Mittwoch, 4. März, ins Priesterseminar nach Speyer gekommen, um sich zu informieren und neue Impulse für ihre Arbeit zu bekommen.
Der Fachtag begann mit einem Gottesdienst unter Leitung von Karl-Ludwig Hundemer, Vorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Speyer. Von außen betrachtet ein Paradies auf Eden - von innen gesehen eine gespaltene Gesellschaft: So habe Jesus die Welt vor 2000 Jahren erlebt und so zeige sie sich heute wieder, sagte Hundemer. Selbst die Kirche sei zerrissen. Daher hofft er auf die Fortsetzung des synodalen Wegs, damit "zerstrittene Lager wieder zusammenfinden".
Zum Auftakt des Fachtags feierten die Teilnehmer gemeinsam Gottesdienst. Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
Es gelte, nicht das Paradies herbeizureden, sondern sich der Wirklichkeit zu stellen. Jesus habe seine Jüngerinnen und Jünger von Anfang an in den Heilsauftrag einbezogen, machte Hundemer deutlich. Er bezog sich auf Jesu‘ Bergpredigt und den Aufruf an seine Gefolgschaft: "Ihr seid das Licht der Welt." Kirche und Caritas sollten dieses Licht sein und damit gesellschaftliche Missstände ausleuchten, denn: "Es bleibt unser Auftrag als kirchliche Caritas, Menschen zu helfen und Gesellschaft zu gestalten." Damit nannte er auch das Leitwort, unter dem der Caritasverband für die Diözese Speyer sein hundertjähriges Bestehen feiert. Für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes sorgten Mitarbeiter des Caritasverbandes Speyer: Aus ihren Reihen hatte sich ein zwölfköpfiger Chor gebildet, der von Instrumentalisten begleitet wurde.
Begrüßte die Besucher: Nicole Adick, Direktorin des Caritasverbandes für die Diözese Mainz und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände Rheinland-Pfalz.Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
"Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist unser ureigenstes Thema", machte Nicola Adick in ihrer Begrüßung deutlich. Die Direktorin des Caritasverbandes für die Diözese Mainz und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Caritasverbände forderte ihre Kollegen auf, sich einzusetzen "für einen respektvollen Umgang miteinander in einer diversen und pluralistischen Gesellschaft". Die Menschen müssten den bestehenden Institutionen vertrauen - das sei die Basis, erklärte Adick weiter. Das war ein Punkt, auf den später näher eingegangen wurde.
Sozialwissenschaftler Professor Berthold Vogel aus Göttingen beleuchtete in seinem Vortrag Forschungsergebnisse, zeigte Handlungsfelder auf und berichtete von seinen Erfahrungen. Vogel machte gleichwertige Lebensverhältnisse als zentralen Faktor für einen guten gesellschaftlichen Zusammenhalt aus. Dabei gehe es nicht um Gleichmacherei, sondern unter anderem um sozialen Ausgleich und Wertschätzung. Dabei richtete er den Blick auf ländliche Regionen, die ins Hintertreffen geraten. Gleichzeitig spielten in diesen Regionen zentrale gesellschaftliche Fragen eine Rolle: Energiewende, Umweltschutz oder die Kritik an der Landwirtschaft.
Sozialwissenschaftler Professor Dr. Berthold Vogel aus Göttingen beleuchtete in seinem Vortrag unter anderem Forschungsergebnisse zum Thema "Gesellschaftlicher Zusammenhalt".Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
Ein weiterer wichtiger Punkt: Menschen müssen positiv in die Zukunft sehen können. "Die eigene Zukunft muss sichtbar sein", unterstrich Vogel. Digitalisierung wirke sich auf die Beziehung zwischen den Generationen aus. Zum demografischen Wandel stellte der Sozialwissenschaftler fest: "Er hat in seiner Schärfe noch nicht begonnen." Das sei in zehn, zwölf Jahren soweit, wenn die geburtenstarken Jahrgänge den Ruhestand antreten.
Vogel appellierte, nicht über Menschen zu reden, sondern mit ihnen. Nur so könnten Politik, Verbände und Wissenschaft herausfinden, was die Gesellschaft bewegt. Die Institutionen sollten sich nicht aus der Fläche zurückziehen - auch wenn das Geld koste. In manchen Gegenden seien die Kirchen die letzten Institutionen, die Menschen durch verschiedene Aktivitäten zusammenbringe.
Berthold Vogel sprach sich dafür aus, das Lokale zu stärken. Nur direkt vor Ort könnten soziale Fragen gelöst und könnte Menschen direkt geholfen werden. "Hier liegt eine Chance für kirchliches und karitatives Handel." Er hob die gesellschaftliche Bedeutung von Kirche und Caritas hervor - auch wenn sich diese nicht in voll besetzten Kirchenbänken und in der Zahl der Kirchensteuerzahler widerspiegele.
Der Austausch stand bei den Fachforen im Mittelpunkt. Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
Sieben Foren vertieften Punkte, die Vogel angesprochen hatte. Eine Gruppe beschäftigte sich zum Beispiel mit dem Gerechtigkeitsempfinden. Wie nehmen die Menschen Gerechtigkeit wahr? Wie stellt man gleichwertige Lebensverhältnisse her? Was kann Caritas dabei tun? Die Teilnehmer lernten Ergebnisse einer Sozialstudie kennen und diskutierten darüber. Die anderen Foren widmeten sich sozialen Netzen und Regeln, gesellschaftlicher Teilhabe, fragten nach Vertrauen in Mitmenschen und Gemeinwesen und wie wir uns in unserer Unterschiedlichkeit besser akzeptieren können.
Der Fachtag lieferte für die Caritas-Mitarbeiter viele Impulse. Clemens Frenzel vom Caritasverband Mainz hat die Generationenfrage nachdenklich gestimmt. Er überlegt: "Welche Altersgruppe baucht was? Wie spricht zum Beispiel auch die Caritas Menschen an, um Nachwuchs zu gewinnen?" Vortrag und Foren bestärkten viele Caritas-Mitarbeiter, sich weiter den Menschen auf dem Land zuzuwenden. "Die großen Zukunftsfragen liegen außerhalb der städtischen Zentren - das fand ich eindrucksvoll und ist mir bewusst geworden", sagte Arnold Himmighöfer vom Caritas-Zentrum Landau. Um sozialer Not entgegenzuwirken, sei politische Arbeit genauso wichtig wie ein Einzelfall, meinte er.
Rund 120 Mitarbeiter waren zum Fachtag gekommen, um sich zu informieren und neue Impulse für ihre Arbeit zu bekommen, wie von Matthias Zech, einer der Referenten. Klaus Landry / Caritasverband für die Diözese Speyer
Christiane Düro-Theis vom Diözesanverband Trier begrüßte, dass sich solch ein Fachtag mit gesellschaftlichem Zusammenhalt beschäftigt. Die stärkere Arbeit in ländlichen Regionen sieht sie als große Herausforderung, die nur mit entsprechenden Ressourcen gemeistert werden könne. Andreas Welte vom Bischöflichen Ordinariat in Speyer ergänzt, dass Potenziale erkannt und entfaltet werden müssen. "Das ist unsere Verantwortung als Kirche und Caritas." Regina Freisberg vom Caritasverband Mainz sieht im Gedanken, in der Fläche verstärkt zu arbeiten, kreatives Potenzial um weiterzudenken, denn "der Weg in den Köpfen ist momentan ein anderer". Und Bernward Hellmanns, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Diözesan-Caritasverbände im Saarland, meint zu Präsenz in der Fläche: "Dabei müssen wir viel stärker die ökumenische Karte ziehen."
Text: Yvette Wagner für den Caritasverband für die Diözese Speyer
Fotos: Klaus Landry für den Caritasverband für die Diözese Speyer